Hannoveraner Hengstkörung der Springhengste 2023 Foto: Fellner

Auf dem Weg zu alter Stärke

Die Verdener Körung für Springpferde war ein Fest. Maßnahmen der mittel- und kurzfristigen Vergangenheit haben gegriffen und es dem Verband ermöglicht, ein Springlot zusammenzustellen, wie es Hannover schon sehr lange nicht mehr gesehen hat.

Vor gut zehn Jahren, im Frühjahr 2013, hat der Hannoveraner Verband den Weg für seine Züchter freigemacht, international erfolgreiche Sporthengste und Vererber zu nutzen, auch wenn diese zuvor nicht einer Hannoveraner Körkommission vorgestellt worden waren. Vor vier Jahren wurde das Bewertungsschema für Springhengste angepasst und verlieh den Springmerkmalen mehr Gewicht. Außerdem wurden die Körkommissionen ausschließlich disziplinspezifisch besetzt. Ein weiteres Jahr später bekam die Springkörung ihre eigene Veranstaltung und wurde mit den Hannoveraner Springpferde-Masters um eine Sportkomponente erweitert. Die Abläufe dieser Veranstaltung wurden im Verlauf der vergangenen drei Jahre immer wieder angepasst und optimiert. So begann das Warm-Up-Freispringen in der abgeteilten Niedersachsenhalle in diesem Jahr mit einem In-Out. Eine Variation, die den meisten Pferden sehr entgegenkam und der Kommission zusätzliche Eindrücke ermöglichte.

Die Anmeldungen zur Hengstvorauswahl gaben bereits einen kleinen Ausblick darauf, was das Springlot mit sich bringen könnte. Auch, aber nicht nur durch die Öffnung der Körung für andere Populationen, wurde die Anmeldezahl um mehr als 30 Prozent gesteigert, und ein Blick auf Pedigrees und Mutterstämme ließ auf Gutes hoffen. Die Tendenz der vergangenen Jahre hatte das Vertrauen der Springpferdezüchter darin bestärkt, ihre besten Zuchtprodukte für die Hannoveraner Körung vorzustellen. So kam schließlich eine Kollektion von 44 Hengsten zusammen. Eine solche Anzahl an Springhengsten hatte es zuvor noch nicht gegeben. Mit einer Körquote von gut 61 Prozent fiel auch dieses Ergebnis für 27 Hengste positiv aus. Neun der gekörten Hengste wurden prämiert. Eine Besonderheit, wie sie vielleicht in einer gewissen Regelmäßigkeit nur in Hannover vorkommen kann, war das Lot von drei Halbbluthengsten aus bereits bewährten Vierlseitigkeitsstämmen, von denen zwei gekört und einer prämiert wurde. Dieses Zahlenwerk allein steht bereits Pate für eine in Qualität und Ergebnis herausstechende Körung.

Aganix du Seigneur Z ist bereits seit einigen Jahren in aller Munde. In Verden trat er zum zweiten Mal als Vater von Köraspiranten in Erscheinung. In seiner Vererbung kann man hier und da Schwächen in Konstruktion und Fundament feststellen, doch seine Nachkommen zeigen eine besondere und vermögende Art und Weise zu springen. Alle drei Nachkommen stammen aus besonderen Stutenstämmen, sie wurden gekört und zwei von ihnen prämiert. Darunter auch die Preisspitze. Der noch jugendliche Braune, den Antonius Schulze-Averdiek, Rosendahl, aus einer Eldorado van de Zeshoek-Mutter gezogen hatte, zeigte sich am Sprung hochelastisch, großzügig und mit guter Einstellung. Seine Großmutter ist Halbschwester von Cornado NRW, der mit Marcus Ehning großartige Erfolge rund um den Globus feierte. Das Landgestüt Celle erhielt für 175.000 Euro den Zuschlag. Damit erhielt erstmals in der Geschichte der Verdener Körungen ein Springhengst den höchsten Zuschlag auf den Hengstmärkten. Der zweite prämierte Aganix du Seigneur Z-Sohn ist kein Geringerer als der Vollbruder der letztjährigen Preisspitze. Seinerzeit wurde Alibaba an die Beerbaum-Stables zugeschlagen. Sein Vollbruder, der von Frank Johannsen aus Buxtehude aus einer Acorado-Mutter gezogen wurde, zeigte sich mit guten Reflexen, blütig und mit Übersicht am Sprung. Für ihn fiel der Auktionshammer bei 40.000 Euro. Er wird seine reiterliche Ausbildung in Schweden absolvieren.

Selten zuvor waren mehr Hengste mit sportgeprüften Müttern bei einer Verdener Körung am Start als in diesem Jahr. Das gilt insbesondere für die beiden nächsten Prämienhengste von Chacoon Blue und Cornet’s Pleasure. Mit blitzsauberer Manier präsentierte Körkommissar Franz Bormann einen athletischen, gut konstruierten Chacoon Blue/Vagabond de la Pomme-Sohn, der bei jeder seiner Vorstellungen bei Hengstvorauswahl und Körung überzeugte. Mutter und Großmutter sind aktuell in 1,40 Meter-Springen oder höher erfolgreich. Franz Bormann gehörte selbstverständlich nicht der Kommission an. Seinen Platz übernahm Hergen Forkert. Franz Bormanns Junghengst sicherte sich ein Stammkunde aus Tschechien, der größten Wert auf Genetik und Sportlichkeit legt. Der Hengst wird dort auf eine Hannoveraner Springpferdezucht treffen, die seit vielen Jahren auf Einkäufen des Verdener Hengstmarktes aufbaut und von der zukünftig interessante Springpferde zu erwarten sind. Den gleichen Weg wird der gekörte Dunkelfuchs v. Varihoka du Temple/Casall aus der Zucht von Hermann-Josef Thoenes, Grefrath, einschlagen. Über sportgeprüfte Mütter in drei Generationen verfügt der Prämienhengst v. Cornet’s Pleasure/Vagabond de la Pomme vom Zuchthof Dree Böken in Prieros. Seine in diesem Jahr sechsjährige Mutter ist nach der Geburt von zwei Fohlen 2023 erstmals im Turniereinsatz und bereits bis 1,30 Meter siegreich. Seine Großmutter sammelt aktuell mit der Israelin Dani G. Waldmann in internationalen Parcours bis 1,45 Meter Schleifen, und seine Ur-Großmutter war für Norwegen international bis 1,40 Meter erfolgreich. Das Ganze fußt auf dem herausragenden Stutenstamm der Algave und führt in diesem Junghengst zu einem reaktionsschnellen, sehr gut und korrekt konstruierten Sportler, der zukünftig den Hengstbestand des Landgestüt Celle bereichern und der Hannoveraner Springpferdezucht einen weiteren positiven Impuls geben kann. Landstallmeister Dr. Axel Brockmann legte 108.000 Euro für diesen Schimmel an. Wie im Vorjahr stellte Cornet Obolensky über seinen Sohn Cornet’s Edition einen weiteren Prämienhengst. Holger Baum aus Hofheim hatte den mit Dynamik und Ehrgeiz ausgestatteten Schimmel aus einer zuchterprobten Chin Quin-Tochter gezogen. Ein Halbbruder dieses Hengstes v. Eldorado van de Zeshoek ist mit Cassandra Orschel international bis 1,50 Meter erfolgreich. Das sind reichlich Argumente für einen Stammkunden aus Belgien gewesen, sich diesen jungen Hengst für 46.000 Euro zu sichern. Ein Prämienhengst v. Colman/Check In aus der Zucht von Rüdiger Löer, Weste, kam nur zur Körung. Der großlinige und langbeinige Schimmel mit energischem Abfußen in den Bewegungen und am Sprung konnte sich von der Hengstvorauswahl bis zur Körung steigern und so in das Prämienlot aufgenommen werden.

For Pleasure war im Prämienlot über einen For Planet/Stakkato Gold-Sohn aus der Oldenburger Zucht von Ion Magerusan, Menslage, vertreten. Ein großliniger und langbeiniger Schimmel, der jede seiner Aufgaben mit großer Leichtigkeit erfüllte und für den der Zuschlag in der Versteigerung bei 78.000 Euro erfolgte. Der bereits angesprochene prämierte Halbbluthengst stammt aus der Zucht von Prof. Dr. Volker Steinkraus, Ollsen, und damit aus der Butt‘schen Vielseitigkeitszucht. Der Schimmel v. Grey Top/Heraldik xx ist mehr als ein Halbbruder von William Fox-Pitts Nationenpreis-Sieger Little Fire v. Graf Top. Der Stutenstamm der Ordalie, der ohne Zweifel zu den besten Vielseitigkeitsstämmen weltweit zählt, hat mit dem Hengst ein ganz besonderes Pferd hervorgebracht. Typvoll, korrekt, leichtfüßig ist er mit Übersicht und Cleverness am Sprung auch in der Lage, schwierige Situationen auf höchstem Niveau zu meistern. In der Kommission und auf der Tribüne war man sich einig, dass ein Halbblüter mit solcher Qualität sowohl in der Zucht von Vielseitigkeits- als auch von Springpferden wertvoll sein kann. Den Beweis dafür wird er nach einem Zuschlag von 44.000 Euro in Belgien antreten. Er bleibt der Zucht erhalten und wird auch von Hannoveraner Züchtern genutzt werden können. Das Springpferdeland Belgien führt die Käuferstatistik des Hengstmarktes an. Fünf der gekörten und nicht gekörten Hengste werden in das westliche Nachbarland wechseln, was die enge und positive Verknüpfung dieser beiden Zuchten dokumentiert.

Die in ihrer Vererbung herausragende Lady Gaga v. Lord Pezi/Fly High aus der Zucht von Johannes zur Lage, Bersenbrück, wurde als Hannoveraner Stute des Jahres ausgezeichnet (siehe Bericht auf Seite 24). Sie hat dieselbe Ur-Großmutter wie Prämienhengst Nummer neun von Taloubet Z/Chacco-Blue, der ebenfalls von Johannes zur Lage gezogen wurde. Der auf stabilem Fundament stehende Braune verkörpert in Typ und Athletik das Modell eines modernen Springpferdes: trocken, markant mit Abdruck und schneller Reaktionsfähigkeit am Bein und im Kopf. Im Preisgefüge rangierte dieser Hengst mit 165.000 Euro an zweiter Stelle und er wird ebenfalls in das Landgestüt Celle wechseln. Als Partner holte sich Dr. Axel Brockmann Stammkunden aus Kanada mit ins Boot, die in der Vergangenheit bereits häufig erfolgreich mit dem Hannoveraner Verband und dem Landgestüt zusammengearbeitet haben.

Der Hengstjahrgang kann im Springbereich einerseits als außergewöhnlich betrachtet werden, und er setzt zugleich den Trend der vergangenen Jahre fort. Er setzt für die Zukunft sehr hohe Maßstäbe an die Qualität sowie an das damit verbundene Vermarktungsergebnis (Gesamtumsatz 2023: 1.391.500 Euro, 2022: 1.039.000 Euro). Die Hengste wurden in der überwiegenden Mehrheit in einer Art und Weise präsentiert, die den jungen Pferden gerecht wird und die eine objektive Bewertung der gezeigten Leistungen ermöglichte. Auch dieses sollte für die Zukunft der Anspruch bleiben. Schließlich gilt es festzustellen, dass die Öffnung der Körung die Qualität der Springkollektion erhöht hat. Von den zehn zugelassenen Hengsten anderer Populationen wurden sechs gekört, einer schaffte es in das Prämienlot. Und gleichzeitig ist eine wichtige Erkenntnis, dass sich auch im direkten Vergleich der Hengste viele Hannoveraner und Rheinländer an der Spitze behaupten konnten. Vor dem Hintergrund der Gesamtqualität der Körkollektion ist dies ein zusätzliches positives Signal für die Hannoveraner Springpferdezüchter, die in ihrer Gesamtheit stolz auf dieses Ergebnis sein können.